Creation Cries Out

Im Rahmen der Aktionswoche „Rise Up For Change“ haben sich gestern auch christliche Klimaaktivist*innen der Gruppe „Christian Climate Action“ zusammengefunden. Wir sind in der Stadt von Kirche zu Kirche gelaufen, haben Flyer mit Infos zu unserem Anliegen verteilt, für das Anliegen und die Aktivist*innen gebetet, gemeinsam gesungen, geschwiegen und um Vergebung gebeten für unsere eigenen Vergehen und die Vergehen unseres Landes gegen die Schöpfung. Dabei habe ich auch den unterstehenden Text mit meinen Gedanken vorgelesen. Abgeschlossen haben wir unseren Tag gemeinsam auf dem Bundesplatz, einige von uns blieben dort bis in die frühen Morgenstunden, als die Polizei den Platz räumte. Wir sind dankbar dafür, dass die Besetzung des Bundesplatzes (wie geplant) friedlich ablaufen konnte und hoffen und beten, dass der Schrei der Aktivist*innen und der Schrei der Schöpfung gehört wird.

«Was genau tust du hier eigentlich?»

Ich kann diese Frage langsam nicht mehr hören. Von meinen Freund*innen wird sie zwar mit Interesse gefragt, doch es gibt genug Leute, die mir diese Frage mit einer vollen Ladung Skepsis um die Ohren hauen. Es sind entweder jene, die nicht daran glauben, dass solche Aktionen wie diese irgendeinen Einfluss auf die aktuelle Politik haben oder die allgemein nicht glauben, dass hier ein Handlungsbedarf besteht. Oft genug sind es aber auch Christinnen und Christen, und dort jene, die glauben, dass dieses Thema uns als Christen nichts angeht. Wir dringendere, wichtigere Themen zu behandeln haben, wie der Missionsauftrag oder der Mitgliederschwund unserer Kirchen. 

Dringender und wichtiger…

Was kann dringender sein, als die Klimakatastrophe, die mit jedem weiteren Tag, die sie hier im globalen Norden grosszügig ignoriert wird, grössere Ausmasse der Zerstörung annimmt für den gegenwärtigen globalen Sünden und alle zukünftigen Generationen?

Was kann wichtiger sein, als dafür zu kämpfen, dass nicht nur tausende von Tier- und Pflanzenarten, sowie auch Menschenleben erhalten werden?

Und nein, ich sehe das nicht als eine Priorisierung gegen den Auftrag, meinem Gott nachzufolgen und Gott in meinem Umfeld und diesem Land bekannt zu machen. Für mich hat beides miteinander zu tun. Für mich ist der Grund, warum ich das hier tue, aufs engste verknüpft mit dem Gott, der mich geschaffen hat und meinem Leben Sinn und Grund schenkt. 

Der Gott, der diese ganze Welt geschaffen hat, der diese ganze Erdengemeinschaft angeschaut hat und gesagt hat, es sei «sehr gut». Aber dabei hört es nicht auf: Gott schafft nicht diese Welt, übergibt das Zepter dem Menschen und schaut nun gleichgültig zu. Nein, immer wieder gibt er den Menschen Gesetze mit auf ihrem Weg, um uns aufzuzeigen in welcher Art und Weise wir miteinander umgehen sollen. Gott ist mit den Menschen unterwegs, greift ein in die Welt, spricht zu den Menschen. Dabei erkennen wir Gott immer wieder als einen Gott der Gerechtigkeit und einen Gott des Lebens. 

Für mich sind dies zwei unglaublich wichtige Eigenschaften Gottes, die nicht verloren gehen dürfen, sondern die genau in der Welt heute wieder neu verkündet werden müssen. 

«Glückselig sind die, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit. Denn sie werden satt werden.»

Matthäus 5,6

Den Gott der Gerechtigkeit zu verkünden bedeutet, sich dafür einzusetzen, dass alle Menschen und alle Geschöpfe dieser Welt weiterhin in dem als sehr gut bezeichneten, Gleichgewicht auf dieser Welt leben können. 

Den Gott der Gerechtigkeit zu verkünden bedeutet, zu handeln, wenn eine Bevölkerungsgruppe benachteiligt oder ausgebeutet wird, weil sie auf einem anderen Teil dieser Erde geboren ist. 

Den Gott der Gerechtigkeit zu verkünden bedeutet, sich dafür einzusetzen, dass alle Menschen in Frieden leben können, ohne Angst um ihre Existenz.

«Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.»

Genesis 1, 31

Den Gott des Lebens zu verkünden bedeutet, dafür einzustehen, dass jedes geschaffene Wesen, sei es aus unseren Augen noch so unbedeutend, das Recht auf Leben bekommt, das ihm unser Schöpfergott zugewiesen hat.

Den Gott des Lebens zu verkünden bedeutet, gegen den Tod zu kämpfen. Den Tod der Arten, den Tod unserer Mitmenschen, den Tod unseres menschlichen Auftrags nach Nächstenliebe.

Den Gott des Lebens bedeutet für das Leben zu kämpfen, auch wenn der Kampf aussichtlos scheint. Denn hat nicht eben dieser Gott nicht schon einmal den Tod besiegt?

Ich will mir nicht vorstellen, welchen Gott wir dieser Welt verkünden, wenn wir weiterhin so tun, als würde die Klimakrise uns als Christentum nichts angehen. 

«Was genau tust du hier eigentlich?»

Es gibt aber auch eine weitere Stimme, die mir diese Frage stellt und die ist schwerer zu ignorieren. Es ist meine eigene Stimme, die die Frage mit viel Selbstzweifel in meinem Kopf hineinspricht. Die mir sagt, dass das was ich tue, doch sowieso keinen Unterschied macht, wir die Klimawende sowieso nicht schaffen können und überhaupt, was will ich mit meinen Fähigkeiten dazu überhaupt beitragen können? Und wer weiss, vielleicht würde ich es ja leichter schaffen, die Klimakrise zu ignorieren, wenn ich nur lange genug mich nicht damit beschäftige…

«Weh dem, der unrechten Gewinn macht zum Unglück seines Hauses, auf dass er sein Nest in der Höhe baue, um dem Unheil zu entrinnen! Aber dein Ratschlag wird zur Schande deines Hauses geraten; denn du hast zu viele Völker zerschlagen und damit gegen dein Leben gesündigt. Denn auch die Steine in der Mauer werden schreien, und die Sparren am Gebälk werden ihnen antworten.»

Habakuk 2, 9-11

«Was genau tue ich hier eigentlich?» 

Ich schreie gemeinsam mit den Steinen. Ich schreie gemeinsam mit der Schöpfung nach Gerechtigkeit und nach Frieden, nach Bewahrung der göttlichen Schöpfung. Ich schreie für alle, die nicht gehört werden. Ich schreie für alle, die nicht mehr schreien können. 

Und Gott sei Dank, können wir Menschen noch so viel mehr als Schreien…

In der «Declaration of Rebellion» von Extinction Rebellion lesen wir: 

«When Government and the law fail to provide any assurance of adequate protection, as well as security for its people’s well-being and the nation’s future, it becomes the right of its citizens to seek redress in order to restore dutiful democracy and to secure the solutions needed to avert catastrophe and protect the future. It becomes not only our right, it becomes our sacred duty to rebel.»

Ich glaube, dass es kein Zufall war, dass hier das Wort «sacred» benutzt wurde, eben dieses Wort, das mit «heilig» oder «sakral» übersetzt werden kann. Diese Pflicht uns für das Leben und die Gerechtigkeit einzusetzen kommt nicht nur bei uns aus einem Verständnis, dass etwas Grösseres als unsere eigenen Interessen, uns als Erdengemeinschaft zusammenhalten. Wir mögen andere Namen (oder keinen Namen) für dieses Grössere haben und trotzdem akzeptieren, dass es etwas gibt, dass uns verbindet und dass uns Hoffnung gibt.

Ich finde es schön, dass ich diesem Einen Verbindenden den Namen «Gott des Lebens» geben darf und darauf bauen darf, dass dieser Gott des Lebens an unserer Seite ist, wenn wir uns für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung des Lebens einsetzen.

Zum Abschluss lese ich euch die letzten zwei Sätze der «Declaration of Rebellion»:

«We act in peace, with ferocious love of these lands in our hearts. We act on behalf of life.


Schlussbemerkung: Vielleicht gibt es einige von euch, die die Mittel, die von der Klimabewegung in diesen Tagen angewendet wurde und die man historisch als „Ziviler Ungehorsam“ oder „Gewaltfreier Widerstand“ bezeichnet, nicht gutheissen. Mir selber hat bei der Entscheidung, ob ich mich als Christin mit solchen Aktionen solidarisieren oder mich ihnen gar anschliessen kann, mein Wissen über die Bürgerrechtsbewegung in den USA geholfen, sowie Martin Luther Kings Gedanken und Weisungen zum gewaltfreien Widerstand. Daneben lese ich im Moment gerade das Buch „nonviolent action: what christian ethics demands but most christians have never really tried“ von Ron Sider. Wenn du dich dieser Lektüre und einer Diskussion dazu anschliessen willst, darfst du dich gerne bei mir melden!

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